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Tirols Knödel sind die österreichische Pasta

Eine kulinarische Reise rund um das Städtchen Hall in Tirol in sechs Gängen | Teil 1

Einer der schönsten Orte in Tirol ist die Kleinstadt Hall, die nur zehn Kilometer vor den Toren der Landeshauptstadt Innsbruck im beschaulichen Inntal liegt. Hall ist das Kunststück gelungen, in einer der besterhaltenen Altstädte in Österreich das mittelalterliche Flair mit der Neuzeit elegant zu kombinieren. An vielen Plätzen der Stadt sind Spuren seiner bedeutungsvollen Vergangenheit zu finden.


Die Kleinstadt Hall im Inntal


Salzquellen und Salzwerke, mittelhochdeutsch "hal", darauf geht auch der Ortsname zurück, machten im 14. Jahrhundert die Stadt reich und mächtig. Ein Jahrhundert später brachte der Landesfürst von Tirol, Erzherzog Siegmund, die Münzstätte nach Hall, ganz in die Nähe der damals einträglichen Silberbergwerke in Schwaz. Davon zeugt heute noch das Areal der Burg Hasegg mit dem Münzerturm. Stadtführer sprechen gern vom mittelalterlichen Euro, der erstmals in Hall mit dem Namen Taler aus Silber geschlagen wurde. Der Taler soll über den Weg von Spanien und Mexiko mit „Dolaros“ zu den damaligen Kolonien in Nordamerika und schließlich zum Namens-Paten vom Dollar geführt haben. Weiter gehende historische Parallelen würden dem heutigen Euro keine rosige Zukunft voraussagen.

Wie kann man sich Hall und seiner Region nähern, mehr erfahren? Ein Weg führt über die kulinarische Entdeckungsreise. Denn nicht nur die Landschaft der Berge hat den Charakter Tirols und seiner Bewohner geprägt, sondern auch die Küche.


I. Gang: Die Altstadt von Hall und der Goldene Löwe

Ein Bummel durch die Altstadt von Hall, die insgesamt unter Denkmalschutz steht, macht neugierig. Es erwarten den Besucher unzählige Durchgänge, verwinkelte kleine und große Innenhöfe und enge Gassen. Am Unteren Stadtplatz steht das traditionelle Wirtshaus „Der goldene Engel“ mit mittelalterlichen Gewölben. Oben im Haus ist der Platz für die Gäste und unten war damals die „Garage“ für die Pferde. Ganz typisch an den um die 500 Jahre alten Häuser sind eine Vielzahl von bunt gefärbten Fassaden sowie die zahlreichen Erker-Fenster. Das war der „mittelalterliche Fernseher“ für Männer wie Frauen, die das Geschehen auf den Gassen beobachten konnten.



Der Mittelpunkt der Stadt ist der Obere Stadtplatz mit der dominierenden Pfarrkirche und dem unscheinbaren Rathaus. Vor den mittelalterlichen Hausfassaden haben sich zur warmen Jahreszeit Cafes und Restaurants mit Tischen, Stühlen und bunten Sonnenschirmen ausgebreitet. Hinter Häuserwänden in einer Ecke des Platzes versteckt, residiert hinter einem schmalen Toreingang der traditionsreiche „Goldene Löwe“. Das erste Speise-Reistaurant am Platze lässt es sich nicht nehmen, neben den edlen Österreich-Spezialitäten wie Tafelspitz oder Wiener Kalbsschnitzel auch ganz Uriges aus Tirol anzubieten. Dazu gehört:


Spezialität „Oma`s Kartoffel Blattl`n“


Oma`s Kartoffelblattl`n mit Sauerkraut

Diese Traditions-Gerichte signalisieren den in der Vergangenheit vorherrschenden einfachen Speiseplan, der das harte und ärmliche Leben in bäuerlichen Almwirtschaften mit begrenzten Anbauflächen und langen Wintern charakterisierte.

Doch der „Goldene Löwe“ ist mit seinen üppig traditionell eingerichteten gemütlichen Räumlichkeiten auch die Heimat eines bekannten Künstlers, des Metallbildhauers Rudolf Reinhart. Eine große Zahl seiner eleganten und grazilen Kupfer- und Messingblech-Arbeiten sind hier ausgestellt und schmücken die Gasträume. Auch an den ältesten Gassen der mittelalterlichen Altstadt, so am Beginn der Schmied-Gasse oder am langen Graben sind als imposantes Namensschild die Arbeiten des Metallbildhauers an der Fassade verewigt. L B. l.: Gassen-Name aus Metall | Gasse „Langer Graben

www.goldenerloewe-hall.at


II.Gang: Der Gasthof Badl am Ufer des Inn

„Unsere Knödel in Tirol sind die österreichische Pasta“, erklärt Sonja Steiner, die Chefin im Gasthof Badl. Sie ist die fünfte Generation, die das kleine Familienhotel mit heute 25 Zimmern führt. Es liegt an der Stadtgrenze von Hall direkt an der rechten Seite des Inn. Sonja Steiner führt auch die Regie in der Küche und bekocht persönlich ihre Gäste, die das hoch schätzen.



Das Haus wurde 1640 von einem Bader gebaut, im Mittelalter der Arzt der kleinen Leute und wurde später zu einem großen gut florierender Gasthof mit ein paar Fremdenzimmern umgewandelt. Erst in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts begann hier das Zeitalter des Tourismus mit den ersten Urlaubern aus Frankreich und dem schrittweisen Ausbau der Zimmer. Keines der teilweise großzügig angelegten Zimmer hat den gleichen Schnitt, alle sind individuell eingerichtet. Das kann wohl kaum ein Hotelneubau schaffen.


„Vergnügen haben am Tiroler Essen

Das Credo von Sonja Steiner:

„Ich koche nur das, was ich kann und gelernt habe. Bei uns ist jede Soße und jede Suppe selbst zubereitet, jeder Knödel und jeder Kasspatz selbst gemacht.“ Der Deutsche hat für die Knödel als Basis zumeist die Kartoffel, in Tirol ist es das Knödelbrot. Und Sonja (i. B. l.) betont:

„ Jedes Essen, das ich herstelle, sollte ich selbst mit Vergnügen essen.“

Im Gasthof Badl gibt es nur eine kleine Speisekarte, die allerdings von Tag zu Tag etwas verändert wird. Wenn Köchin Sonja frische Steinpilze bekommt oder jemand ein Reh geschossen hat, dann steht das auf der Speisekarte. Sie wird von Bauern der Umgebung, die übrigens auch ab und an Gäste im Haus sind, entsprechend der Saison beliefert. Und wenn Lammfleisch geliefert wird, von Tieren, die das ganze Jahr auf den Almen leben, dann stehen nicht nur Lammfilets, sondern Lamm-Variationen mit Lamm-Krone, Lammbraten und Lamm-Ragout auf der Speisekarte. Durchgängig ist die Versorgung mit Fleisch vom regionalen Bauern leider nicht machbar, räumt Sonja ein, aber zumindest sei alles aus der Produktion in Österreich. Und im Sommer wird Sonjas Küche vor allem mit Salaten, Kürbis und Zucchini sowie etwas Obst von ihrer Mutter beliefert, die als Pensionärin noch einen sehr großen Garten bewirtschaftet. Sonja serviert:


Hirsch-Ragout mit Knödeln und Polenta


Hirsch-Ragout mit a bisserl Rotkraut und Johannisbeeren, einem Pfifferling-Knödel, ein paar Spazerln und Polenta.

(Die Polenta aus Maisgries ist in Tirol auch ein traditionelles Nahrungsmittel. Die Polenta wird von Sonja mit Milch statt Wasser angemacht und zusätzlich im Ofen leicht überbacken)

Quartier mit „heimeligem“ Gefühl

Wenn die Touristen in den Gasthof kommen, dann erwartet sie hier ein sehr klein strukturiertes Quartier, so etwas wie eine vertraute und behagliche Atmosphäre, manche nennen es ein “heimeliges“ Gefühl. Sie kommen in Häuser wie das Badl, in dem sie sich wohl fühlen. Ein Milieu so wie es früher war, so eine kleine heile Welt. Die Zahl der Gäste wächst, die diese bodenständige und authentische Umgebung suchen. Natürlich muss sich alles am Ende auch wirtschaftlich rechnen. Aber hier hat der Gast das Gefühl, seine Gastgeberin und ihr kleines Team können das ausblenden. www.hotel-badl-tirol.com


III. Gang: Der Hofladen vom Tuxerbauer in Tulfes

Zum Programm des Hall Wattens Tourismusverbandes gehört traditionell eine Kräuterwanderung, die regelmäßig in der Urlaubssaison organisiert wird. Die Tirolerin Susanne Vianello hat sich zu einer Kräuterpädagogin ausbilden lassen und führt die Teilnehmer bei einem gemütlichen Spaziergang durch die Natur.


Entdeckungen auf der Wiese

Von der Gemeinde Tulfes in der Umgebung von Hall wird der Speckbacher Weg Richtung des kleinen Örtchens Rinn eingeschlagen, der zu beiden Seiten an Wiesen entlang führt. „Es ist schon seit einigen Jahren wieder in Mode gekommen, sich für das Ursprüngliche, das Authentische zu interessieren“, sagt die Kräuterfachfrau. „Und erst Recht in den Ferien haben die Urlauber die Zeit, sich mit den unendlich vielen Möglichkeiten der Verwendung von den scheinbar nutzlosen Pflanzen vertraut zu machen.“ Und dann hört sie die Stoßseufzer der sie begleitenden Gäste, die sich alle ähneln: „ Die Kräuter wachsen in meinem Garten, die Pflanzen sind mir oft bei Spaziergängen aufgefallen und ich kenne sie nicht und weiß nichts über sie.“

Etwa zwei Stunden sind die Kräuterwanderer unterwegs, um die Welt der Wildkräuter und ihre Wirkung als beste Naturmedizin näher kennen zu lernen. Selbst bei Regenwetter kann die Gruppe mit Susanne Vianello eine Vielzahl von Kräuter bestimmen. Denn die Kräuterexpertin braucht für ein knappes Dutzend Kräuter-Beispiele nur die Fläche eines aufgespannten Schirmdaches auf der Wiese. Die leicht bitteren Blätter vom Löwenzahn kennt noch mancher, doch wie ist es mit der ebenfalls leicht bitteren Schafgabe...da ist der dem Spinat ähnliche Wiesenbärenklau ...hier der Spitz- und der Breitwegerich …die Blüte vom roten Klee kann man tatsächlich nutzen und sogar die junge Brennnessel …weiter zum Giersch und dem Labkraut, das man ins Kräutersalz mischen kann und da wächst Waldmeister...Und alles, was im Frühling blüht ist gut für das Entschlacken und wer will das nicht?


Das lukullische Tiroler Gesamtkunstwerk

Bei Sonnenschein wie auch bei Regen ist die Kräuterfrau Vianello gern in der Gemeinde Tulfes unterwegs. Denn hier lockt zur Einkehr an rustikalen Holztischen der Tuxerbauer, eine Schnapsbrennerei mit einem Bauernladen und ein Paradies für Feinschmecker. Die Betreiber Margret und Joseph Hoppichler offerieren nicht schlechthin den Verkauf von Produkten, sondern authentische Ess- und Genuss-Kultur ihrer Heimat Tirol.

I. B. l.: Margret Hoppichler im Hofladen

„Wir haben einen Hof, der auf drei Säulen steht: die Bauernschaft, den Bauernladen und die Bauernkuchl. Alles kann und soll nur gemeinsam funktionieren“ sagt Joseph Hoppichler. Und dann setzt der Tiroler Unternehmer in Sachen gelebte Tradition noch hinzu: „Das Gesamtkunstwerk ist entscheidend!“ In mehreren Räumen des Hoflandes gibt es von Äpfeln und Vogelbeer-Schnaps bis zur Rinderzunge fast alles.

Eine seiner schon legendären Spezialitäten: der legendäre Krustenbraten im Bild rechts

Frisch zubereiteter Schweinebraten mit Kruste

„Die tägliche Speisekarte schreib ich nicht auf, die habe ich im Kopf“, erklärt Joseph. In seinem Gasthof im Bauernladen sind vorgefertigte Produkte nicht zu finden. Für Pommes-Fans eine No-go Area. Hier herrscht komplettes Fast Food Verbot. Der Tuxerbauer richtet für die Tiroler Feiern und Feste aus. Werbung braucht er keine, die Qualität seiner Produkte hat sich herum gesprochen. Auch viele Urlauber bekommen schnell mit, wo dieses Tirol-Paradies der Speisen liegt. Die Chancen für einen Besuch sind gut, denn der Tuxerbauer hat insgesamt 363 Tage im Jahr geöffnet. www.tuxerbauer.at


Text und Fotos: Ronald Keusch, September 2017





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