ReiseBerichte | Neuseeland


Entdeckungen in Neuseeland | Typisch Kiwis


Es gibt einige gute Gründe, um eine Reise nach Neuseeland zu unternehmen. In den letzten 20 Jahren haben sich die Zahlen der Besuche von Touristen von 1,5 auf 3,5 Millionen (2016) mehr als verdoppelt. Viele Besucher werden von der Vielfalt der Naturschönheiten magisch angezogen. Und in welchen Land auf der Welt kann man Berglandschaften wie in den Alpen mit mehr als ein Dutzend Dreitausender Gipfel einschließlich einiger Gletscherfelder finden und zugleich endlos weiße Sandstrände am südlichen Pazifik?


Gebeugter Wald an der Küste der Catlins


Und wo geben sich ein Stelldichein: Vulkankrater, Geysire und Fjorde, begrünte Hügellandschaften mit Schaf- und Kuhherden, englisch gestylte Gärten und Parks sowie dicht gewachsener Urwald? All das steht für das Markenzeichen Neuseeland.


Mischung aus Freiheit und Regeln

Es besteht ein weiterer wichtiger Grund dafür, dass die Fangemeinde dieses Landes stetig wächst. Man kann es als das Lebensgefühl der Menschen beschreiben, als die Atmosphäre, die im Land herrscht, eine Mischung aus Freiheitsgedanken und Nonkonformismus, der sich allerdings auf ganz praktische Ordnungsprinzipien stützt.


  •  Taiko Ensemble Dunedin 
  •  Queenstown Mall 

Typisch für Neuseeland ist die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft seiner Bewohner, die auf Regeln und Gesetzen beruht und deren Einhaltung mit scheinbar leichter Hand und langer Leine strikt durchgesetzt wird.

Bei einer sechswöchigen Rundreise per Auto mit mehr als 6. 000 Kilometern sieht man an den Straßenrändern nur ganz selten Verbotsschilder für Geschwindigkeiten, aber auf Landstraßen bei der Ankündigung einer Kurve ein Empfehlung für das Tempo. Die Zahl der Autos, die in einem längeren Zeitraum mit überhöhter Geschwindigkeit überholen, sind an einer Hand abzuzählen (!). Haben die neuseeländischen Autofahrer mehr Zeit? Sie nehmen sich scheinbar mehr Zeit und die Touristen passen sich gerne an.


Der Spitzname und haarige Früchte

Eine der ersten Lektionen, die der Tourist zu lernen hat, ist die verschiedenen Bedeutung des Wortes Kiwi. Eigentlich ist Kiwi eine Frucht, außen haarig, innen grün, die ursprünglich aus China kommt, und Mitte des 20.Jahrhundert von Neuseeland im großen Stil nach England exportiert wurde. So verbreitete sich der Spitzname Kiwi für Neuseeländer, das Land aus dem damals die Kiwis nach Europa kamen. Mittlerweile kommen die meisten Kiwis aus Italien auf den deutschen Markt.

Doch ursprünglich hat die Bezeichnung etwas mit einem für Neuseeland typischen Vogel zu tun, dem flugunfähigen Kiwi. Er ist aufgrund der erdgeschichtlichen Entstehung nur in Neuseeland zu Hause. Als vor mehr als hundert Jahren eine Firma diesen Vogel als Logo auf eine Schuhcreme platzierte und neuseeländische Soldaten sie im 1. Weltkrieg mit nach Europa brachten, war die Erhebung des Kiwi zum Symbol des Landes nicht mehr aufzuhalten. Während andere Nationen sich als Wappentier in der Mehrzahl für Löwen und Adler entschieden haben, wählten sich die Neuseeländer den Kiwi. Er kann nicht fliegen, aber mit seinen starken Beinen schnell weglaufen, er ist nur schlecht getarnt und deshalb nachtaktiv und hat sich dank der intensiven Kost von fetten Würmern und Insekten zu einem „übergewichtigen Fußgänger“ entwickelt.

Übrigens zur Unterscheidung wird dem haarigen Obst mit grünem Fleisch der Zusatz Frucht hinzu gefügt, also Kiwifrucht. Der Kiwi-Vogel als Wappentier und Spitzname für die Neuseeländer - keine so unsympathische Wahl.


Bildunterschrift: Kiwi Skulptur in Queenstown


Kiwi-Vögel im Halbdunkel

Während die Figur wie die Abbildung des Kiwi-Vogels in allen Souvenir-Läden massenhaft auftritt, ist sein natürliches Vorkommen in der freien Wildbahn nur noch auf wenige Naturschutzgebiete reduziert. Und da die Tiere nachtaktiv und sehr scheu sind, haben selbst viele Einheimische kaum eine Chance, die Tiere in natura zu sehen. Doch auch für dieses Problem haben die praktisch veranlagten Neuseeländer eine Lösung. Im Kiwi North Center in Maunu auf der Nordinsel hat man für zwei Kiwi den Tag zur Nacht gemacht. So kann der Besucher am helllichten Tag in einem verdunkelten großen Terrarium hinter einer Glasscheibe mehrmals am Tag die Fütterung der Tiere beobachten. Ihr Schnabel ist sehr lang und nach unten gebogen. Auch im Halbdunkel ihres Terrariums war gut zu erkennen, dass sie sich ab und zu auf ihrem Schnabel abstützen, um beim Stehen das Gleichgewicht zu halten. Als sich im Zuschauerraum bei der Fütterung ein Kind bewegte, huschten beide Kiwis außer Sichtweite,um etwas später zögerlich wieder aufzutauchen. Sie sollen nicht gut sehen, besser hören und sehr gut riechen können – komische Vögel.


Die längste Hängebrücke des Landes

Nicht nur an dieser Stelle in Auckland wird der Reisende daran erinnert, dass der Neuseeländer Hackett 1986 erstmalig das Bungee-Jumping mit einem belastbaren Gummiseil ausprobierte und kommerziell erfolgreich mit einem Unternehmen weltweit einführte. Und seine Landsleute sowie zunehmend die Urlauber treiben gern Sport unter freiem Himmel, wenn möglich mit erhöhter Adrenalin-Ausschüttung. An der Westküste der Südinsel, entlang des Buller River, ist die längste Hängebrücke des Landes gespannt. So ist es auch nicht überraschend, dass der Besucher nicht nur die 110 Meter lange wackelige Brücke zu Fuß überqueren kann. Am anderen Ufer ist eine Seilrutsche Installiert, mit der die Mutigen entweder liegend oder sitzend auf einem 160 Meter langen Drahtseil zur anderen Seite des Flusses sausen.


Bildunterschrift: Swingbridge über den Buller River


Queenstown- Hauptstadt für Fun-Sport

Die hohen Niederschlagsmengen sorgen ähnlich wie in Irland für ein „grünes“ Neuseeland, kein Land für Sonnenanbeter. Auch die Wasser-Temperaturen im Pazifik sind selbst im Hochsommer (Januar/Februar in Europa) mit gefühlten 20 Grad für viele wenig einladend. Doch dafür gelten die Inseln im Pazifik als erstrangiger Abenteuerspielplatz der Nation Neuseeland.

Den Rang der „Fun-Hauptstadt“ hat sich zweifellos Queenstown erobert. Hier läuft der Fun-Sport auf Hochtouren und ein großes Aktion-Programm mit Bungee Springen, Rafting, Swinging und Tandem-Fallschirmspringen. Fährt man mit der Gondelbahn auf den Hausberg Bob`s Peak, schaut man auf den See. Und da ist auch jede Menge los, Jetboating und sich am Fallschirm mit einem Motorboot über den See ziehen lassen.



Imposante Silhouette von Auckland

Der Eindruck von der Millionenstadt Auckland bleibt nach einem längeren Bummel an der Waterfront zwiespältig. Allerorten im Hafen Baustellen, es existiert nur eine kurze Promenade. Viel Gewusel beim Landgang der Massen von den Kreuzfahrtschiffen in einem Durcheinander der Bauten.


Auckland Blick vom Mt Eden


Modernes und Neues mit Altem und Verfallenen scheint nicht zusammen zu passen. Der Blick von den Kraterbergen Mt. Eden und One Tree Hill oder vom Mt. Victoria in Devonport auf die Silhouette von Auckland mit seinem Sky-Tower ist dagegen imposant. Das Gesicht der Architektur des Landes insgesamt offenbart große Unterschiede und ist eines auf keinen Fall: langweilig.


Art Deco und ein echtes neugotisches Schloss

Zum Beispiel die Hafenstadt Napier auf der Nordinsel. Nach einem Erdbeben im Jahr 1931 wurden Teile der Stadt neu in Art Deco und Spanish Mission Style aufgebaut. Es entstand ein kunstgeschichtliches Stadt-Ensemble. Im Hafen West-Quay finden die Touristen die Ellison&Duncan Fassade aus dem Jahr 1932 mit interessanten Schatten an den Fenstern. Hier steht auch das Haus der „National Tobacco Company“ bekannt auch als Rothmanns Building. Es wurde 1933 gebaut und gilt als ein Meisterwerk des Architekten Louis Sullivan aus Chicago.

Beispiel Akaroa auf der Südinsel. Hier kann man einige Häuser besichtigen, die die französischen Siedler im 19. Jahrhundert gebaut haben. Neben den Bauwerken im französischen Stil sind noch eine französische Bäckerei und Straßennamen wie Rue Benoit, Rue Jolie oder Rue Lauvaud von der Landnahme der Franzosen übrig geblieben.

Bildunterschrift: Art Deco Stil in Napier


Schließlich steht unweit von Dunedin auch das einzige echte Schloss Neuseelands, Larnach Castle. Das neugotische Schloss wurde 1871 von einem Banker gebaut. Es ist heute nach wechselhafter Geschichte mit seinem gepflegten Schloss-Garten und schönen Sichten aufs Meer ein Mekka für Touristen.


Larnach Castle auf der Halbinsel Otago


Die ganz besondere Schmalspurbahn

Es ist eine dieser Geschichten, in der Freiheit im Denken und grenzenlose Eigeninitiative etwas Ungewöhnliches schafft, typisch Kiwi. Barry Brickell ist stolzer Besitzer einer Töpferwerkstadt sowie 22 Hektar hügeligen Landes auf der Nordinsel. Er ist Eisenbahn-Freak und kommt auf die Idee, eine kleine Schmalspur-Bahnlinie auf seinem Grund und Boden zu bauen, um nur ein paar hundert Meter Material für die Töpferei bequem zu transportieren. Doch nach erfolgreichen Beginn wollte er mit der Weiterführung des schmalen Schienenstranges nicht mehr aufhören. Insgesamt baute er nahezu allein einschließlich Landvermessung und Planung insgesamt drei Kilometer Strecke mit Viadukten, drei kurzen Tunnel sowie fünf Umkehrpunkten, um die Steigungen der Schmalspurbahn zu ermöglichen.


Den Endbahnhof mit mehreren Stockwerken und einer Aussichts-Plattform nannte Barry mit ironischem Verweis auf den Pariser Eiffelturm einfach Eyefull Tower.

Ein Wegweiser mit der Entfernungsangabe 20.000km bis Paris ist für alle die Besucher aufgestellt, die sein Wortspiel mit dem Eiffelturm nicht gleich kapieren. Anfang der 90er Jahre fuhren die ersten Fahrgäste mit seinerDriving Creek railway, heute pro Jahr 50.000 (!) Das Grab des Töpfers und Eisenbahners Brickell, der 2015 mit 80 Jahren starb, befindet sich auf einem Anstieg nahe an der Schiene seiner Schmalspurbahn.


Englischer Humor der Kiwis

Englischer Humor in Neuseeland aller Orten.Vor dem kleinen Urlauberort Waikawa an der Spitze der Südinsel ist ein Hinweisschild angebracht, auf dem die Aufschrift „Niagara Falls“ prangt und in Richtung eines Seitenweges zeigt. Ein Spaßvogel unter den Siedlern gab vor vielen Jahren diesen Namen einer klitzekleinen Stromschnelle, den sie bis heute weiterhin trägt.


Auf der Straße von der Goldgräberstadt Ross in Richtung des Franz-Josef Gletscher passiert man The Bushmans Centre, ein Restaurant mit vielen originalen Ausstellungsstücken der Farmer aus alten Zeiten und jede Menge englischem Humor. Auf einer Tafel mit den Speisen steht: Road kill Toasted Sandwiches. Da wird dem staunenden Gast erklärt: What`s in the Possum Pies? Das Possum ist ein nach Neuseeland eingeschlepptes kleines Beuteltier, das mit millionenfacher Vermehrung zu einer Plage wurde und nicht selten platt gefahren von Autos auf Landstraßen liegt. An diesem Tag war Possum nicht im Angebot.

Weniger mit Humor, dafür mit dem Wissen um Bedürfnissen der Einwohner und ihrer Gäste haben die unzähligen öffentlichen Toiletten zu tun. Sie sind in aller Regel sehr sauber, können kostenlos benutzt werden und finden sich praktisch in jedem auch kleineren Ort, meist nahe der Parkplätze. Typisch für die Kiwis.



Und in dem kleinen Ort Kawakawa auf der Nordinsel steht direkt und unübersehbar an der Hauptstraße ein ganz berühmten Örtchen. Es wurde von dem bekannten Künstler Friedensreich Hundertwasser in seinem Stil mit vielen bunten Säulen und Kacheln gestaltet. Ein Denkmal in der für ihn typischen Art, das sich der österreichische Künstler setzte, der hier in seinen letzten Jahren auf der Nordinsel von Neuseeland lebte.


Bei den königlichen Albatrossen

Die Kiwis sind wahre Künstler im Zusammenleben mit der Natur. So gelang es ihnen als einzigem Land, für die Königlichen Albatrosse, die meist ihre Brutplätze nur auf kleinen Inseln haben, vor 80 Jahren auf dem Festland eine Brutkolonie einzurichten.

Mittlerweile hat sich die Kolonie der Extremflieger auf Taiaroa Head auf der Südinsel fest etabliert und es kommen etwa 140 der großen Flugmaschinen mit einer Flügelspannweite von über 3,5 Metern hierher. In dem Naturschutzgebiet können die Touristen im Royal Albatross Centre die Albatrosse von einer abgeschirmten Plattform ausgiebig beobachten. Etwa 20 m entfernt befindet sich ein Nest mit einem Muttertier und dem Nachwuchs, der erst vor kurzem geschlüpft ist. Ein großartiges Tiererlebnis und Foto-Motiv.


Bildunterschrift: Albatross Zentrum auf der Halbinsel Otago


Die Vögel leben zu 80 Prozent ihres Lebens über Wasser, schlafen auch auf dem Wasser, können jährlich bis zu 190.000 Flug-Kilometer zurücklegen und kehren immer wieder zu ihrem Nistplatz zurück.


Halbinsel Otago


Im Umkreis der Kolonie ist die Chance groß, die Albatrosse entlang der naheliegenden Küste entlang fliegen zu sehen. Ein unvergesslicher Anblick wird geboten – typisch für Urlaub bei den Kiwis.


Text und Fotos: Ronald Keusch, April 2018