Kriegstanz Haka begrüßt heute die Gäste
Jeder Besucher im Südpazifik, der sich die Zeit nehmen kann, einige Wochen in Neuseeland unterwegs zu sein, wird auf die Kultur und die Geschichte der Maori treffen, der Ureinwohner des Landes. Die Maori waren vor 700 Jahren die ersten Besiedler des Eilands und prägen bis heute das Gesicht von Neuseeland.
Der Vertrag von Waitangi
Eine wichtige Station in der Geschichte der Maori und gleichzeitig der Geburtsort der Nation Neuseeland, wie es in der offiziellen Lesart heißt, ist der kleine Ort Waitangi nahe von Paihia auf der Nordinsel. Hier wurde am 6. Februar 1840 vom Vertreter der britischen Krone, William Hobson sowie von 43 Maori-Häuptlingen der Vertrag von Waitangi geschlossen. Dieser Vertrag wird heute von den Neuseeländern als Unabhängigkeitserklärung ihrer Nation betrachtet, in der Weiße und Maori gleichberechtigt sind und der Tag der Unterzeichnung wurde zum nationalen Feiertag gekürt.
Aber dieser Tag hat auch die Kolonialisierung des Landes durch die damalige Weltmacht Großbritannien festgeschrieben. Der Vertrag entrechtete die Stämme der Maori und ermöglichte den überwiegend britischen Siedlern und dem britischen Staat, das Land vollständig zu erobern und sich Grund und Boden mit seinen Bodenschätzen anzueignen.
Tattoos im Gesicht der Maori-Krieger
Anglikanische und katholische Missionare strömten nach Neuseeland, um die Maori zum Christentum zu bekehren. Schließlich beteten die Eingeborenen, die vor 700 Jahren aus den Weiten Ozeaniens kamen und sich hier ansiedelten, kultische Gottheiten an und haben ihre Gesichter mit Tattoos verziert.
Die Männer tätowierten Gesicht und Hals komplett, während die Frauen nur Lippen und Kinn verzierten. Außerdem verspeisten mitunter die Maori-Krieger ihre Gegner, um sich deren Stärke einzuverleiben.
Zehntausende Maori konvertierten, doch nicht alle Stämme arrangierten sich mit den Siedlern und führten blutige Kriege.
Der Union Jack war schneller aufgepflanzt
Es spricht für die Souveränität der Neuseeländer und für die über Jahrzehnte gewachsene Autorität der Maori in der Gesellschaft, dass die modern gestalteten Ausstellungsräume im Haus des Waitangi-Vertrages mit akribischem Realismus das Zustandekommen und den Inhalt des Vertrages dokumentieren. Viele der stolzen und selbstbewussten Häuptlinge der Maori-Stämme wurden damals nicht gefragt oder verweigerten die Unterschrift. Doch die britischen Emissäre aus London drückten auf Tempo, denn auf der Südinsel, so berichten Historiker, waren Schiffe der Franzosen mit Siedlern dabei, eine Landnahme unter der Trikolore anzubahnen. Doch der Union Jack war überall schneller aufgepflanzt und die Franzosen kamen wieder einmal zu spät.
Waitangi-Vertrag verschieden interpretiert
Mit dem Waitangi-Vertrag glaubten auch die Maori-Häuptlinge, dass sie der englischen Krone nur erlauben zu regieren, während sie mit ihren Stämmen weiter die Kontrolle über ihr Land (whenua) und die Naturschätze behalten. Die britische Krone ging selbstverständlich davon aus - wie auch sonst an anderen Orten der Welt – dass mit dem Vertrag ihre Beamten und Siedler die Souveränität über das Land der Maori besitzen. Diese unterschiedliche Interpretation begründete den unlösbaren Konflikt. So entflammten in den kommenden zwei Jahrzehnten immer wieder Kriege der Maori, die sich erfolglos wehrten gegen die Landnahmen der Pekahe, in der Maori-Sprache Begriff für die ersten weißen Siedler aus Europa.
Kriegstanz will nur unterhalten
Hier in Waitangi ist auch das weltweit größte kunstvoll mit Schnitzereien geschmückte Kriegskanu ausgestellt. Es weist die Länge von 35 Metern auf und wurde aus zwei riesigen Kauri-Bäumen gebaut. Schließlich wird auf dem Waitangi-Gelände den Touristen im Wharenui, dem großen Versammlungshaus der Maori, auch Folklore für die Touristen geboten.
Es treten wild entschlossene Krieger mit Speeren und Messern auf, die für die Besucher den rituellen Kriegstanz Haka zelebrieren. Ein Tanz, der den Maori früher auch zur Begrüßung und Unterhaltung diente, in jedem Fall Freund wie Feind einschüchtern will. Dazu schauen die in Gesicht und Körper mit grellen Farben bemalten Tänzerinnen und Tänzer grimmig ins Publikum, reißen weit ihre Augen auf, stampfen mit den Füßen auf dem Boden und stecken wiederholt ihre Zunge weit heraus.
Die jungen Frauen der Tanzgruppe singen Lieder in der Sprache ihrer Vorfahren. Sie bewegen sich hier in Waitangi unter Begleitung eines Gitarrenspielers mit roten und weißen Softbällen an langen Bändern wie Cheerleader in der Football-Arena. Übrigens haben die recht erfolgreichen Rugbyspieler der neuseeländischen Nationalmannschaft, , den Haka vor dem Anpfiff jedes Länderspiels aufgeführt und den Tanz international bekannt gemacht. Für die weißen Spieler, die keine Maori-Wurzeln haben, ist es eine große Ehre, den Haka mitzutanzen.
Flaggenmast vier mal abgesägt
Von Paihia erreicht man mit einem kleinen Fährschiff die andere Seite der Bucht den Ort Russell. Er kann die Erzählung über die bewegte Geschichte des Landes fortsetzen.
Ursprünglich eine Maori-Siedlung namens Kororareka, wurde Russell Ende des 17. Jahrhunderts zu einem berüchtigten „Höllenloch des Pazifiks“. Hier gingen Walfangschiffe und Abenteurer, desertierte Seeleute und entflohene Gefangene aus aller Welt vor Anker. Der heutige kleine beschauliche Urlauberort Russell, bekannt für Hochseeangeln, avancierte nach der Staatsgründung im Februar 1840 sogar zehn Monate lang zur Hauptstadt von Neuseeland. So hatte es der Vertrag von Waitangi festgelegt, verbunden mit dem Privileg der Zollerhebung für den Schiffshandel. Aber schon nach einem knappen Jahr machten die britischen Kolonialbeamten Auckland zur Hauptstadt und kassierten allein die Zollgebühren.
Diese und viele andere einseitige Auslegungen des Waitangi-Vertrages konnte den Maori-Stämmen nicht gefallen. Ein deutliches Symbol des Widerstandes bestand darin, dass die Maori-Krieger auf dem historischen Flagstaff-Hill insgesamt vier Mal den Flaggenmast absägten.
Dafür sorgten Häuptling Hone Heke und seine Krieger. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen wurde Russell von den Maori bis auf das Kirchengebäude und das Missionshaus niedergebrannt.
Im Museum von Russell heißt es lakonisch: Die Maori der Region haben sich nicht unterworfen, mussten dann aber mit den englischen Siedlern Frieden schließen.
Jeder siebente Neuseeländer hat Maori-Vorfahren
Nicht allein beim Nationalsport Rugby, wo in der Nationalmannschaft mit größter Selbstverständlichkeit junge Maori-Männer spielen, zeigt sich, in welchem Maße die Maori heute in der Gesellschaft von Neuseeland integriert sind.
Während in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Stämme der Maori durch Krankheiten wie Tuberkulose und Typhus sowie durch blutige Konflikte und Vertreibungen stark dezimiert wurden (von 250.000 auf 40.000) hat sich 150 Jahr später ihre Situation zum Positiven gewandelt. Allein die Zahlen sprechen für sich. Von der gegenwärtigen Bevölkerung von 4,2 Millionen besitzt jeder siebente Neuseeländer Maori-Vorfahren.
Im Straßenbild von Auckland oder Wellington ist das auch ungeachtet von tausenden Touristen aus aller Welt durchaus sichtbar. Die Sprache der Maori ist neben Englisch zur Amtssprache aufgestiegen, viele hundert Orte im Land tragen Maori-Bezeichnungen.
Es existieren Maori Universitäten und es gibt sogar einen staatlichen Fernsehkanal, der ausschließlich Maori-Themen in ihrer Sprache sendet.
Dass diese Ergebnisse der Integration der Urbevölkerung in die Gesellschaft der Siedler überhaupt nicht selbstverständlich sind, zeigt sich ganz auffällig nur vier Flugstunden entfernt in Australien. Hier sind nach Ankunft der Siedler von einer Million Menschen der Urbevölkerung, der Aborigines, Anfang des 20. Jahrhunderts nur noch etwa 40.000 übrig geblieben. Zwar besaßen die Stämme auf dem Kontinent Australien einen niedrigeren Entwicklungsstand als die Maori. Aber es gelang bis heute zu keinem Zeitpunkt, nur annähernd eine solche Integration wie in Neuseeland zu bewerkstelligen.
National-Museum zum Thema Maori
Was in Waitangi an Maori-Kultur zu kurz kommt, holt das moderne National-Museum Te Papa in Wellington ausgiebig nach. Auf einer ganzen Etage im Level 4 des riesigen Komplexes wird nicht nur sehr umfangreich die Kunst der Maori präsentiert, sondern es ist sogar ein komplettes Versammlungshaus der Maori aufgestellt. Und der Besucher erhält viele Informationen aus der Sichtweise und Perspektive der Maori selbst. So kann jeder Besucher die zwei inhaltlich unterschiedlichen Fassungen des Waitangi-Vertrages z.B. zu Besitz an Grund und Boden vergleichen (in der Englischen und der Maori-Fassung).
Im Jahr 1975 wurde das Waitangi-Tribinalgegründet und eine Kommission ins Leben gerufen, die Verletzungen des Vertrages untersucht und Empfehlungen gibt, um sie zu korrigieren. Doch da bleibt oft nur die Option, Ungerechtigkeiten zu dokumentieren.
Die Ausstellung schildert auch die Rolle der Maori, die als Soldaten in beiden Weltkriegen viele Opfer brachten. Aber die damit verbundene Hoffnung, weiter reichende Gleichberechtigung und Integration in die Gesellschaft von Neuseeland zu erlangen, erfüllte sich nicht, ähnlich wie bei den afroamerikanischen Soldaten in den USA.
Das National-Museum vermeidet die Gefahr, die Stellung der Maori nur in rosaroten Farben zu malen. Auch wenn die Situation der Māori weithin als gut beschrieben ist, im Vergleich zu anderen indigenen Völkern, gibt es nicht übersehbare Probleme. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen der Māori liegt deutlich unter dem von der Gesamtbevölkerung Neuseelands, mehr als ein Drittel aller Māori über 15 Jahren haben keinen Schulabschluss und auch ihre Lebenserwartung ist wesentlich geringer als bei den Nicht-Māori.
Integration auf dem Standesamt
Auch im Otago Settler Museum auf der Südinsel in Dunedin spielen die Geschichten um die ersten Siedler und die Maori die Hauptrolle. Hier werden für die Besucher überraschende historische Begebenheiten erzählt.
Der Handel der Maori-Stämme auf der Südinsel mit den Walfängern, der ihnen im Tauschgeschäft auch Gewehre und andere Schusswaffen einbrachten, half ihnen entscheidend, sich gegenüber der Invasion von aggressiven Maori-Stämmen aus dem Norden zu behaupten.
Integration hat sich hier auf dem Standesämtern vollzogen. Insgesamt 140 Walfänger und Robbenjäger heirateten einheimische Frauen, oft ermutigt durch die Häuptlinge der Maori-Stämme und hatten mit ihnen Kinder, die sie gemeinsam groß zogen. Im Museum werden mehrere Lebensläufe solcher Ehepaare ausführlich geschildert.
Sie sind dann auch eindrucksvoll in einem großer Ausstellungsraum vertreten, dessen vier Wände hunderte Bilder von Siedlern schmücken, die zu unterschiedlichen Zeiten im 19. Jahrhundert nach Neuseeland einwanderten oder mit Einheimischen lebten - gut für die Ahnenforschung und auch gut für die Bildung der Nation mit einen Anteil der Urbevölkerung.
Auckland und seine vulkanischen Hügel
Die größte Metropole in Neuseeland ist unbestritten Auckland mit 1,4 Millionen Einwohnern und täglich vielen tausenden Touristen, darunter strömen nicht wenige von den Kreuzfahrtschiffen. Landschaftlich ist die bedeutende Hafenstadt durch Dutzende vulkanische Hügel geprägt, darunter dem Mt. Eden, auf dessen Gipfel sich ein mit Gras bewachsener Krater befindet. In Sichtweite des knapp 200 Meter hohen Gipfels befindet der One Tree Hill, ein weiterer Kraterberg, der eine Geschichte über die weißen Siedler und die Maori erzählt.
Der baumlose One Tree Hill
Zunächst ist überraschend, dass auf diesem Berg so wie der Name verspricht kein einziger Baum steht. Viele Jahrhunderte galt der Kraterberg einschließlich eines riesigen Baumes, des Te Totara, für die einheimischen Maori-Stämme als ein Heiligtum. Im Zuge der Landnahme und Kultivierung von den Außenbezirken wurde auf dem One Tree Hill im Jahr 1863 der heilige Baum von weißen Siedlern gefällt. Später pflanzte der schottische Arzt Campbell als Windschutz mehrere Kiefern an. Doch diese Bäume standen auch nicht für die Ewigkeit.
Anhänger der Maori attackierten die Kiefern mit Kettensägen. Seit der Jahrtausendwende ist der One Tree Hill wieder baumlos. Es wurde auf dem Gipfel des Kraterberges kein Baum mehr gepflanzt, dafür aber ein Obelisk aufgestellt. Für die Neuseeländer wie für die Touristen ist der am Fuß des Vulkanberges angelegte Cornwall-Park ein beliebtes Ausflugsziel. Der One Tree Hill erinnert daran, dass wie auf den umliegenden Weiden auch über die bewegte Geschichte des Landes viel Gras gewachsen, aber wie auf dem Kraterberg ohne einen Baum nichts vergessen ist.