ReiseBerichte | Polen


Geschichtsträchtig: Westerplatte


Vor 80 Jahren begann die deutsche Wehrmacht mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg, dem mehr als 60 Millionen Menschen zum Opfer fielen. Neben Auschwitz erinnern verschiedene Stätten im östlichen Nachbarland an den über fünfjährigen Vernichtungsfeldzug.

Gleiwitz (heute: Gliwice) und die Westerplatte sind die Ausgangspunkte des Zweiten Weltkrieges. Bereits im August 1939 liefen die unmittelbaren Kriegsvorbereitungen in Deutschland auf vollen Touren. So erhielt SS-Sturmbandführer Alfred Naujocks den Befehl, einen Anschlag durch vermeintlich polnische Aufständige auf die deutsche Radiostation Gleiwitz vorzutäuschen. Das geschah dann schließlich am Abend des 31. August.


Erbitterter Widerstand

Bereits seit dem 25. August 1939 lag das Schulschiff „Schleswig-Holstein“ zu einem angeblichen Freundschaftsbesuch im Hafen der Freien Stadt Danzig (heute: Gdańsk). An Bord warteten 225 Marinestoßtruppsoldaten in ihrem Versteck auf den Einsatzbefehl. Der kam fast zeitgleich mit dem vorgetäuschten Überfall im rund 450 km entfernten Gleiwitz. In der Nacht zum 1. September wurde dann das ehemalige Linienschiff so in den Danziger Hafenkanal manövriert, dass aus etwa 400 m das von polnischen Soldaten bewachte Munitionsdepot auf der Westerplatte beschossen werden konnte. Um 4.47 Uhr feuerte die Schiffsartillerie los. Es entbrannte ein blutiger Kampf um diese Landzunge, der erst am 7. September mit der polnischen Kapitulation endete.


Die Spitze der Westerplatte im Mondlicht


Für die Polen ist die Westerplatte seither eines der Symbole des Widerstandes gegen Nazideutschland. Das wird auch dadurch deutlich, dass der deutsche Name dieses Landstriches erhalten blieb nachdem die Region polnisches Staatsgebiet wurde. Es ist und bleibt ein historischer Ort mit weltgeschichtlicher Bedeutung, der immer noch zum Nachdenken anregt.


Gedenkstätte für die 15 polnischen Soldaten auf der Westerplatte

Die langgestreckte Halbinsel wird vom Gdańsker Hafenkanal und der Ostsee umschlossen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das waldreiche Landstück zu einem Badeort ausgebaut – mit Kurpark und Heilanstalt. Knapp 100 Jahre später wurde die Westerplatte Militärgelände. Der nach dem Ersten Weltkrieg entstandene Völkerbund billigte Polen zu, dieses Ostseebad „als Platz zum Löschen, Lagern und Transport von Sprengstoffen und Kriegsgerät“ umzufunktionieren. Damit unterstand die Halbinsel dem polnischen Militär und war dadurch als Sperrgebiet öffentlich nicht mehr zugänglich.

Die ulica Majora Henryka Sucharskiego – benannt nach dem letzten Kommandanten des damaligen polnischen Militärdepots – ist die Hauptmagistrale der etwa zwei Kilometer langen Insel. Fast am Ende der Straße befindet sich ein großer, kostenpflichtiger Parkplatz. Sowohl in diesem Bereich als auch an zahlreichen anderen Stellen auf der Westerplatte informieren große Aufsteller über die wechselvolle Geschichte sowie über die jeweiligen Standorte dieser strategischen Landzunge. Allerdings gibt es diese Textinformationen nur in Englisch und Polnisch.


Badeparadies, Sperrgebiet, Gedenkstätte

Von dem einstigen Badeparadies vor den Toren Danzigs zeugen nur noch ein paar Fotos in den erwähnten Aufstellern. Doch die waldreiche Umgebung ermöglicht, sich die ursprüngliche Idylle dieses Ostseeortes vorzustellen. Auch von den späteren Militäranlagen ist kaum noch etwas zu entdecken. In der ehemaligen Wache, die von den Kampfhandlungen nahezu verschon blieb, befindet sich seit den 1970er Jahren ein kleines Museum.



Unweit des Parkplatzes gibt es eine Gedenkstätte für die 15 polnischen Soldaten, die bei den erbitterten Kämpfen um die Westerplatte ihr Leben verloren. Gut 100 m entfernt erinnert die zerbombte Ruine einer Mannschaftsunterkunft an jene Kampftage im September 1939. Das aus Stahlbeton bestehende Objekt wurde im zerstörten Zustand erhalten und ist begehbar. Die stark deformierten Bauteile vermitteln einen nachhaltigen Eindruck von der Grausamkeit des Angriffs und des Krieges überhaupt.


Gegenwärtig finden auf dem Gelände der Westerplatte verschiedene Ausgrabungsarbeiten statt. Gleichzeitig erfolgt eine komplette Renovierung der Anlagen. Ziel dieser Aktivitäten ist es, diesen geschichtsträchtigen Ort wieder so herzustellen, wie er am 1. September 1939 war. Dazu sollen beispielsweise auch der Bahnhof und andere Gebäude rekonstruiert werden.


Piratenschiffattrappen pendeln zwischen Krantor und Westerplatte


Diese Stätte des heroischen Widerstandes, der jedoch das nachfolgende Kriegsgeschehen nicht verhindern konnte, ist von Gdańsk aus auch mit einer Piratenschiffsattrappe zu erreichen. Sie pendelt zwischen der Halbinsel und der Anlegestelle in der Nähe des legendären Krantores, dem Wahrzeichen von Gdańsk. Auf der etwa halbstündigen Fahrt gibt es auch auf Deutsch zahlreiche Informationen zum Hafen und zu den Werften.


Festung Weichselmündung

Der Besuch auf der Westerplatte kann auch mit einem Abstecher zur Festung Weichselmündung kombiniert werden, die sich am südwestlichen Rand der Landzunge befindet. Die heutzutage von zahlreichen Fledermausarten bewohnte Anlage stammt teilweise noch aus dem Mittelalter und wurde weitgehend wieder rekonstruiert. Allerdings finden die Führungen dort nur in polnischer Sprache statt.



Unübersehbar ist der Ende des 15. Jahrhunderts errichtete Turm, der bis 1758 als Leuchtturm fungierte. Um ihn entstand die quadratische Festung mit ihren vier Bastionen. Bevor dieser Komplex im 19. Jahrhundert als Gefängnis genutzt wurde, diente er noch in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Stützpunkt der polnischen Flotte.


Text und Fotos: Herbert Schadewald | März 2019







Nach den Entwürfen der Professoren Franciszek Duszeńko und Adam Haupt von der Hochschule für Bildende Künste in Gdańsk entstand ein 25 m hohes „Denkmal für die Helden der Westerplatte“, das am 9. Oktober 1966 enthüllt wurde. Aus dem Steinobelisk ragen die Köpfe eines Matrosen und eines Soldaten heraus. Am Fuße dieses auf einer Anhöhe positionierten Mahnmals erinnern sieben Fahnenmasten an die siebentägige Verteidigung.


Zerstörte Massenunterkunft