Den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ teilen sich 2019 das süditalienische Matera und Bulgariens zweitgrößte Stadt Plovdiv in der Thrakischen Tiefebene
Knapp 700 km Luftlinie sind die beiden künftigen europäischen Kulturhauptstädte Matera und Plovdiv von einander entfernt. Aber beide seien sich sehr ähnlich, weil es viele Gemeinsamkeiten gebe, verlautet dazu aus dem bulgarischen Organisationskomitee - der Stiftung „Plovdiv 2019“. Diese gemeinnützige Organisation wurde im September 2011 gegründet und bereitet das besondere Kulturjahr in Bulgarien vor.
„Wir liegen gut im Zeitplan“, bestätigt Viktor Jankov, stellvertretender Direktor für internationale Beziehungen bei der Stiftung. Denn im April berichtete die Organisation in Brüssel über den aktuellen Vorbereitungsstand. Da waren mit 250 vertraglich verankerten Veranstaltungen bereits 85 Prozent des Programms unter Dach und Fach.
„Die meisten Kulturhauptstädte erreichten zu diesem Rapportzeitpunkt nur 50 bis 60 Prozent“, freut sich Jankov.
Durch das Kulturjahresmotto „Plovdiv gemeinsam 2019“ sollen vor allem auch die Einwohner noch besser integriert werden - besonders das Zusammenleben. Denn bisher wurden nämlich mehr die Unterschiede als die Gemeinsamkeiten betont. Konkret geht es dabei auch um das Stadtviertel Kapana, das sich am südlichen Mariza-Ufer zwischen der zentralen Fußgängerzone und der historischen Altstadt befindet.
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Dieses vorwiegend von Roma bewohnte Areal wurde bisher sehr vernachlässigt. Nun wurden die unzähligen kleinen Gassen dort in das Stadtentwicklungsprogramm einbezogen, um es zu einem Kultur- und Szenezentrum umzugestalten. Das ist bereits sichtlich gelungen. Denn vor allem abends sind die zahlreichen Straßencafés und kleinen Bars voller Leben und strahlen eine urgemütliche Faszination aus.
Zwei andere Kulturjahrprojekte stuft Jankov weiterhin als „sehr kompliziert“ ein. Dabei handelt es sich um die sogenannte Tabakstadt und das ehemalige Kino „Kosmos“. Obwohl beide zum Kulturhauptstadtjahr aus ihrem bisherigen Dornröschenschlaf wachgeküsst werden sollten, sieht Jankov diese ursprünglichen Ideen nun eher als Langzeitprojekte. Denn etliche der einzigartigen Tabaklager und -fabriken aus den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sind, sofern sie nicht ohnehin schon abgerissen wurden, in einem miserablen Zustand.
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Nur ganz wenige dieser Industriebauten, die sich alle in privatem Besitz befinden, wurden bisher restauriert. Auch die Stiftung hat in einem dieser Häuser ihren Sitz, umringt von Bauruinen. Die Idee war und ist, diese Objekte wiederherzurichten und sie mit Kultur lebendig werden zu lassen. Doch das bedarf angesichts des vorwiegend katastrophalen Bauzustandes nicht nur etliche Zeit, sondern auch eines enormen Kapitals. Sodass die Schandflecke das kommenden Jahr überdauern dürften.
Am westlichen Rande des Stadtzentrums, nur einen Steinwurf vom Zentralpark entfernt, gammelt seit einem Vierteljahrhundert das einstige Kino „Kosmos“ vor sich hin. Der bisher dem Vandalismus überlassene Gebäudekomplex an der Uliza Gladston sollte ursprünglich zu einem bleibenden Kulturzentrum umgestaltet werden.
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„Doch die verschiedenen Gebäude haben unterschiedliche Besitzer, was die Verhandlungen erschwert“, seufzt Jankov. Somit verzögern sich die Ausbaupläne für dieses große Infrastrukturprojekt ebenfalls weiter.
Unmittelbar gegenüber vom „Kosmos“ hat das zentrale Kulturhaus „Boris Hristov“ weiterhin seine Pforten geöffnet. Bis zum Juli 2016 diente es auch über drei Jahre als Theaterstätte, weil der ursprüngliche Spielort in der zentralen Fußgängerzone Knjaz Aleksander abgebrannt war. Während das Schauspielensemble wieder in gewohnter Atmosphäre auftritt, hat die Plovdiver Oper noch immer kein eigenes Haus. Seit den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts existiert diese Oper,
die auch exzellente Kinderopern anbietet. Und obwohl es bereits zu Zeiten der Volksrepublik entsprechende Beschlüsse für einen Bau gab, wurde in Bulgarien kein Opernhaus errichtet. Doch das Operninteresse ist nach wie vor groß, denn die Aufführungen im zentralen Kulturhaus sind mit durchschnittlich 4500 Zuschauern stets gut besucht. Inzwischen existiert eine internationale Ausschreibung. Doch das Opernhaus wird 2019 nicht entstanden sein.
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„Das Opernfestival im Sommer gehört auf jeden Fall zu den Projekten für das Kulturhauptstadtjahr“, betont Radost Ivanova, stellvertretende Marketingdirektorin der Stiftung. Darüber hinaus sind jährliche Veranstaltungsreihen vorgesehen, die auch 2019 – und danach - laufen werden. Dazu gehören unter anderem die Altstadt-Musiktage (Mai/Juni), das Folklorefestival (Anfang August), das Rockfestival (August/September) sowie das Jazzfestival (November).
Am 5. September, dem bulgarischen Nationalfeiertag, werde das komplette Kulturprogramm für 2019 veröffentlicht, versichert Jankov. Fest steht aber schon jetzt, dass die Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres im Januar auf dem Zentralplatz vor dem Hotel „Trimontium“ stattfinden werde. Dazu wird dann auch eine der wichtigsten Nord-Süd-Verkehrsader der Stadt, der Boulevard Zar Boris III. Obedinitel, komplett gesperrt.
Mit seinen 158 Zimmern gehört das 1956 eröffnete Ramada-Hotel „Trimontium“ am Hauptplatz zu den bevorzugten Übernachtungsquartieren in Plovdiv. Die zentrale Lage an der innerstädtischen Fußgängerzone und nur wenige Fußminuten bis zur historischen Altstadt machen das Hotel so beliebt.
Obwohl die Zimmerpreise im nächsten Jahr um 20 Prozent teurer sind, ist das Hotel bereits jetzt für 2019 schon zu 50 Prozent belegt. „Für Mai und Juni sind wir schon komplett ausgebucht“, bilanziert Marketingchefin Natascha Stojanova. Durchschnittlich bleiben die Gäste 2,2 Tage im Haus, das zahlreiche Annehmlichkeiten bietet.
Allerdings liegt die letzte Renovierung des „Trimontiums“ bereits 18 Jahre zurück. Deshalb werden nun die Zimmer und Bäder Abschnittsweise bei laufendem Hotelbetrieb komplett erneuert. Eine, mit Blick auf das Kulturjahr, notwendige Aktion. Für 2019 bietet das Hotel „klein spezielles Programm an“, sagt Stojanova. Damit befindet sie sich im Einklang mit anderen Hotels der Stadt, die ebenfalls keine Aktivitäten in dieser Richtung entwickeln, weil die Gäste sowieso die kulturellen Angebote der Stadt nutzen.
Plovdiv ist auch die Heimat von der Busunternehmerin Sofia Racic. Bereits in den 90er Jahren war sie die erste Bulgarin, die in Kooperation mit dem damaligen Berliner Unternehmen BEX in den Fernlinienbusverkehr einstieg - mit der Strecke Berlin-Plovdiv-Burgas. Inzwischen bedienen die Racic-Busse fünfmal wöchentlich die Verbindung Plovdiv-Berlin-Hannover-Hamburg. „Leider nicht mehr mit BEX“, bedauert die Chefin. Sie ist davon überzeugt, dass vor allem im kommenden Jahr die Auslastung auf dieser Linie steigen werde. Allerdings seien schon jetzt die Busse von Deutschland nach Bulgarien stets voller als umgekehrt.
„Die jüngeren Bulgaren fliegen lieber als mit dem Bus zu fahren“, schätzt Racic ein. Auch wenn die Flixbus-Konkurrenz in Bulgarien noch nicht unmittelbar auf den Markt drängt, so macht sich doch der allgemeine Preisdruck in der Branche selbst dort bemerkbar. „Jetzt geht es nur noch darum, alle Kosten zu decken“, erläutert Racic. Reserven lassen sich kaum mehr aufbauen. Die Busfahrt zwischen Plovdiv und Hamburg wird bei ihr in drei Kategorien zwischen 80 und 110 Euro angeboten. „Ganz hinten sind die billigsten Plätze.“
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Zu den Gemeinsamkeiten der beiden künftigen Kulturhauptstädten Matera und Plovdiv gehört neben der Mentalität ihrer Einwohner auch das große geschichtliche Erbe sowie die Altstädte. Allerdings gibt es auch wesentliche Unterschiede zwischen beiden. Denn auch die kleineren Ortschaften um Matera machen beim Kulturjahr mit. So wirbt dort die gesamte Region. In Plovdiv bezieht sich das tatsächlich nur auf das Stadtgebiet. Hinzu kommt der Fakt, dass Italien bekannt als Bulgarien ist. Denn allein in und um Matera wurden seit 1953 mehr als 20 große Filme gedreht. Diese natürliche Hollywood-Kulisse machte den Ort nicht nur weltweit bekannt, sondern zieht auch jährlich zahlreiche Touristen an.
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Doch auch die alte bulgarische Messestadt Plovdiv mit ihren historischen Wurzeln, die nachweislich aus zum 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung stammen, gehört zu den Touristenmagneten des Balkanlandes. So lassen sich zahlreiche Spuren der städtischen Vergangenheit – vor allem aus römischen Zeiten – wie das gigantische Stadion unter der heutigen Fußgängerzone oder das Amphitheater in der Altstadt, aber auch viele andere Ausgrabungsstätten in der modernen Großstadt finden.
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Ein kompetenter Ansprechpartner für Reisende (nicht nur) zum bulgarischen Kulturhauptstadtjahr ist die in Plovdiv ansässige Incomingagentur Wandi-S OOD. „Wir können individuelle Angebote unterbreiten, die sich mit dem Aufenthalt in Plovdiv optimal kombinieren lassen“, informiert Geschäftsführerin Rositza Jankova, die gemeinsam mit ihrer ebenfalls deutschsprachigen Kollegin Aleksandra Dimitova eine umfangreiche Palette an lohnenswerten Reisezielen mit nachhaltigem Erlebnischarakter in Bulgarien parat hat.
„Es muss nicht immer nur Meer sein und Plovdiv sowie die anderen Regionen sind nicht nur 2019 eine Reise wert“, versichert Jankova. Ihre Agentur in der zentrumsnahen Uliza Ibar 21 (E-Mail: office@wandi-tour.com | Tel.: 0035932-964979) hat sich bereits auf die erwartete Nachfrage eingestellt.
Text und Fotos: Herbert Schadewald, Mai 2018
Hinweis auf einen Beitrag von Mirko Schwanitz bei Deutschlandfunk Kultur:
„Plovdiv hat die Aufgabe, Menschen zu inspirieren“ || Weblink zum Podcast